Weihnachten in Russland

Wie Lenin die Geschenke gestohlen wurden

Mikolajn/istockphotoWeihnachtsdekoration im heutigen Moskau, orthodoxe Kirche, davor WeihnachtsmarktWeihnachtsdekoration im heutigen Moskau

Atheistische Regime haben versucht, Weihnachten abzuschaffen. So hat man in der DDR Engel zu „Geflügelten Jahresendzeitfiguren“ gewandelt. Schon lange vorher war in der Sowjetunion aus dem Weihnachtsbaum der „Neujahrsbaum“ geworden. Lenin jedoch liebte Weihnachten.

Von Pfarrer Achim Reis

Lenins Liebe zum Weihnachtsfest war das Erbe seiner deutschen Mutter, einer geborenen Blank. Die sang im lutherischen Kirchenchor mit, in Simbirsk an der Wolga, wo Lenin, eigentlich Wladimir Iljitsch Uljanow, gemeinsam mit seinen Geschwistern die Kindheit verbrachte. Von Kindheit an war Weihnachten das große Fest in Lenins Leben gewesen. Die Familie Uljanow hatte immer ein deutsches Weihnachten gefeiert, kein russisch-orthodoxes, wegen der Herkunft der Mutter.

Nun hatte die Oktoberrevolution stattgefunden und Lenin hatte - wie alle Bolschewiki - heftige Angriffe auf die Religion geführt, besonders gegen die staatlich unterstützte Orthodoxie. Religion sei das Opium für das Volk und geistiger Fusel, so schreibt er schon 1905 in „Sozialismus und Religion“. Nach der Revolution folgten dann regelrechte Kampagnen gegen den religiösen Glauben und zugunsten des Atheismus. Aber das minderte nicht Lenins Hingabe an Weihnachten.

Wie Lenin die Geschenke gestohlen wurden

Anfang 1919 erkrankte Lenins Frau Nadeschda Krupskaja. Zu Erholung weilte sie in einer Schule bei Sokolniki, einem bewaldeten Park am Moskauer Stadtrand. Lenin beschloss, eine Weihnachtsfeier für die Kinder dort zu veranstalten. Den orthodoxen Weihnachtstermin, den 7. Januar unserer Zeitrechnung, hatte er verpasst und wollte das Fest am orthodoxen Epiphaniasfest, dem 19. Januar, nachholen. Er fuhr mit dem Wagen voller Geschenke nach Sokolniki, mit ihm der Chauffeur, der Leibwächter und seine Schwester Marja.

Als der Wagen in Sokolniki einfuhr, hielt ihn eine Handvoll Männer an. Lenin glaubte, eine Militärpatrouille vor sich zu haben. Er zeigte seinen Kreml-Ausweis und sagte: „Mein Name ist Lenin.“ Die Männer nahmen den Ausweis an sich und befahlen den Wageninsassen auszusteigen. Lenins Schwester schrie: „Was macht ihr – das ist Genosse Lenin. Wer seid ihr? Wo ist eure Vollmacht?“ Einer von ihnen antwortet ruhig: „Verbrecher brauchen keine Vollmacht“. Die Banditen sprangen in das Auto und brausten davon - mit den Geschenken, die Lenin für die Kinder gekauft hatte. Schöne Bescherung.

Ab 1935 nur noch Väterchen Frost und Begleiterin Schneeflöckchen

In den Jahren nach Lenin wurde Weihnachten von den Sowjets immer offensiver bekämpft, der Weihnachtsbaum 1928 offiziell verboten - um 1935 als Neujahrsbaum ein Comeback zu erleben. Neujahr wurde hinfort als Weihnachtsersatz propagiert, ein stilles Familienfest, an den erst Väterchen Stalin und nach dessen Tod das zwischenzeitlich ebenfalls geächtete und nunmehr rehabilitierte Väterchen Frost den Kindern die Geschenke brachte, zusammen mit seiner Begleiterin Schneeflöckchen.

Jetzt, 100 Jahre nach der Oktoberevolution, wird Weihnachten in Russland wieder gefeiert – von der orthodoxen Mehrheit am 7. Januar, von den katholischen und evangelischen Minderheiten am 25. Dezember: als Fest der Geburt Jesu Christi.

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