Obdachlosigkeit

Selbst gekochtes Mittagessen für Menschen mit wenig Geld

Charlotte MattesWarme Eintöpfe lassen den Europaplatz in Darmstadt lecker duften.Warme Eintöpfe lassen den Europaplatz in Darmstadt lecker duften.

Ehrenamtliche kochen jeden Sonntag für Bedürftige „Wir wüssten nicht wohin wir sonst gehen sollten“, erklärt eine Frau, die die Hilfe der Ehrenamtlichen schätzt. Sie zeigen wie gelebte Nächstenliebe aussieht.

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Annett Bauer-Kesberger und Gertraud Exner helfen sonntags in Darmstadt mit. Jeden Sonntag gibt es warme Eintöpfe - selbst gekocht.

Auf dem Europaplatz, hinter dem Darmstädter Hauptbahnhof, stehen Menschen in zwei Reihen an. Es riecht nach würzigem Eintopf, die großen Pötte mit warmem Fleisch und Nudeln dampfen. Die Ehrenamtlichen wuseln umher. Sie packen Obsttorten aus, holen Brot und Brötchen aus großen, blauen Plastiktüten - die Tische und Bänke füllen sich. „Wir haben Hunger, Hunger, Hunger“ beginnt ein Mann aus dem Hintergrund zu singen.

„Die Behandlung ist hier, als wenn du im Lokal wärst“

Das Buffet ist eröffnet: „Ich hätte gerne Nudeln und ein bisschen davon“, sagt ein Mann und deutet auf den Eintopf. Am Buffet nebenan zapft eine Ehrenamtliche Kaffee, Helferin Gertraud Exner verteilt Torte. Die Menschen essen auf den umliegenden Bänken und Mauern und unterhalten sich. Ein wohliges Raunen schwingt über den Europaplatz. Viele erzählen, dass sie es hier „familiär“ finden und sich hier nicht schämen müssten, weil sie auf Lebensmittel angewiesen seien. Eine Rentnerin berichtet, dass bei ihr das Geld nicht reiche, über das Angebot ist sie dankbar: „Die Behandlung ist hier, als wenn du im Lokal wärst“, betont sie. Einmal im Monat gibt es auch Kleidung „und Schuhe, Schlafsäcke und Decken“, ergänzt Helferin Annett Bauer-Kesberger. Ein junger Mann mit Sommersprossen ist häufig hier und erzählt: „Ich habe mal ein Armani-Jäckchen abgegriffen, ich trag’s voller Stolz.“ Neben ihm sitzt eine Frau, die sich in das Gespräch einklinkt und überschwänglich erzählt: „Wir wüssten nicht wohin wir sonst gehen sollten, es ist das Einzige was wir in Darmstadt haben, wo wirklich jeder kommen kann“, betont sie und strahlt. Vorwiegend ist die Hilfe für obdachlose Menschen gedacht, erklärt Bauer-Kesberger, sie würden bevorzugt behandelt, aber bislang habe das Angebot auch für Hartz IV-Empfänger und Menschen mit geringer Rente gereicht.

Einziges Problem: Keine Toilette

Exner hilft seit einem knappen Jahr mit. Sie hat tiefe Lachfältchen und dunkel, geschminkte Augen. Warum sie helfe? Sie kenne die Situation, habe früher auch wenig Geld gehabt und finde es wichtig, dass Bedürftige auch an einem Sonntag Hilfe bekommen würden. Große Probleme gäbe es hier nie, aber „es gibt ein kleines Problem mit den Anwohnern, weil manche ins Gebüsch springen“, erklärt Exner. Denn öffentliche Toiletten gibt es auf dem Platz nicht. 

Hilfe wird durch Facebook-Gruppe organisiert

Angefangen hat alles mit Kaffee und Brötchen. Bettina Benz hat Ende November 2013 eine Facebook-Gruppe gegründet. Seitdem ist die Gruppe gewachsen und es gibt jeden Sonntag von 13-15 Uhr warme und kalte Lebensmittel. Die ehrenamtlichen Helferinnen und Helfer kochen größtenteils zu Hause und kommen selbst für die Kosten auf. Außerdem spenden auch Gaststätten, Supermärkte und Bäckereien. Wer helfen möchte, soll der Facebook-Gruppe beitreten, damit die Organisatoren planen können, welche Hilfe notwendig ist.

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