Pfarrer in Social Media

Christliche Influencer mit ihrer Begeisterung und ihren Tränen im Netz

Bild: Martin VorländerChristliche InfluencerChristliche Influencer im Gespräch:
1. Reihe von links: Pfarrerin Ellen Radtke, Pfarrerin Josephine Teske und Pastor Marcus Schneider
2. Reihe von links: Workshopleiterin Birgit Arndt, Geschäftsführerin des Medienhauses, Pfarrerin Theresa Brückner und Christoph Breit, Projektleiter für „Kirche digital“ in der bayerischen Landeskirche

Bei einem Workshop auf dem Kirchentag erzählen fünf Pfarrerinnen und Pfarrer, wie sie im Netz unterwegs sind. Sie haben erlebt, dass die eigene Begeisterung, aber auch die Kämpfe in ihrem Leben zu anderen Menschen im Netz neue Verbindungen geschaffen haben.

Marcus Schneider ist 40, glatzköpfig, langbärtig, muskelbepackt, tätowiert – und Pfarrer in der freikirchlichen Christusgemeinde in Wuppertal. „In der Pfarrkonferenz haben manche erst gedacht: Wer ist denn der tätowierte Glatzkopf?“ sagt Schneider. „Aber in Wuppertal auf der Straße falle ich nicht auf.“ Sein Credo sind die „drei großen B’s“: Beten, Bibel lesen und Bodybuilding. Als „breitester Pastor Deutschlands“ gibt er im Netz Tipps, wie man Muskeln und Glauben stärkt. Er mache das nicht wegen „Kohle oder Klicks“. Er sagt: „Die beste Botschaft bringt nichts, wenn sie nicht gehört wird.“ Viele 13- bis 19-Jährige verbringen täglich über drei Stunden im Netz. „Und da gibt so viel Müll. Wo ist die Botschaft, die Menschen zu starken Persönlichkeiten macht?“

Breitester Pastor auf facebook

Pfarrerin postet, was sie liebt

Darum geht es auch den vier anderen Pfarrerinnen und Pfarrer, die digital unterwegs sind und bei dem Workshop auf dem Kirchentag von ihren Erfahrungen im Netz erzählen. Theresa Brückner hat angefangen, auf Instagram zu posten, als sie im ersten theologischen Examen steckte. „Dadurch kam ich mit Leuten in Kontakt, die ich sonst nie getroffen hätte“, erzählt die junge Pfarrerin aus Berlin. „Die haben mich gefragt: Was macht man denn überhaupt als Pfarrerin?“ Aus diesen Anfängen ist „Theresa liebt“ geworden, weil sie zeigt, was sie liebt: ihren Beruf und ihren Glauben. „Instagram ist nicht mehr nur die schöne Glitzerwelt mit Blumen- und Katzenfotos“, sagt Theresa Brückner. „Da geht es auch um Themen wie Leben nach dem Tod oder Feminismus.“

"Theresa liebt" auf Instagram

Mitbekommen, was die Menschen beschäftigt

„Gläubig, queer, pastoral.“  Das ist das Profil von Ellen Radtke, die vor allem auf Instagram und Twitter unterwegs ist. Die Anfang 30-Jährige ist „ganz doll stolze Landpastorin“ im Hildesheimer Land. Sie ist mit einer Pfarrerin verheiratet, hat Kinder und ist unter dem Namen „@medycki“ in den sozialen Medien zu finden. „Ich bekomme nicht mit, was meine Gemeindemitglieder bewegt, wenn ich nicht auch schaue, was im Netz läuft“, sagt sie. Facebook sei vor allem für die Altersgruppe 45 plus, da sind sich die pastoralen Influencer bei dem Workshop einig. „Über Facebook können Leute am Gemeindeleben teilhaben, auch wenn sie gar nicht da waren“, sagt Ellen Radtke. Twitter diene der Vernetzung. Hier finde man die „innerkirchliche Blase“, also Kollegen und Gleichgesinnte. Auf Instagram erzählt Radtke Geschichten aus ihrem Pfarrleben – verfremdet, aber echt. Zum Beispiel hat sie einen Post gemacht über eine Trauerfeier. Ein alter Mann wurde beerdigt. Die Witwe schüttelt am Grab Hände. Ganz für sich tritt eine andere ältere Frau ans Grab, wirft eine Rose hinein und sagt leise: „Ich liebe dich.“ Ellen Radtke postet, was sie rührt. Und sie zeigt sich im Netz als lesbische Pfarrerin. „Ich will ansprechbar sein. Über die sozialen Medien fragen mich Transmenschen nach Begleitung, was sie bei ihrem Pastor vor Ort vielleicht nicht tun würden.“

Ellen Radtke auf Twitter

„Wenn ich weine, poste ich das“

Auch Josephine Teske ist Landpfarrerin, im schleswig-holsteinischen Büdelsdorf. Pastorin, alleinerziehende Mutter, Feministin – so ist sie im Netz unterwegs. Das Posten war am Anfang eine Überlebensstrategie. Im ersten Jahr in der Gemeinde ist vieles auf sie eingestürzt. Bei all den Verwaltungsaufgaben wusste sie nicht mehr: Wo kommt vor, was ihr wichtig ist? Darum hat sie den Instagram-Account „@seligkeitsdinge_“ gestartet. „Ich zeige nicht nur das Schöne, sondern auch das, was mich überfordert. Auch mein zugemülltes Haus, weil ich nicht zum Aufräumen gekommen bin.“ Sie bietet denen, die ihr folgen, regelmäßig an, für sie zu beten. Sie zeigt dann mit Fotos auf Instagram, dass sie für jedes Gebetsanliegen vor dem Altar eine Kerze angezündet hat. Wo liegt die Grenze für das, was sie von sich privat zeigt? „Wenn ich weine, poste ich das“, sagt Josephine Teschke. „Wenn meine Kinder weinen, das zeige ich nicht.“ Ihre Gemeinde finde gut, was sie mache. „Wer Probleme macht, sind meine Kollegen. Die verstehen nicht, dass ich auch da das Evangelium verkündige.“  

Josephine Teske auf Instagram

Verkündigung in den Medien als Teil des Pfarrberufs

„Was bringt das denn? Das ist doch nur virtuell. Müssen wir das auch noch machen?“ Diese Einwände kennt Christoph Breit. Der langjährige Gemeindepfarrer ist Projektleiter für „Kirche digital“ in der bayerischen Landeskirche. Für ihn ist klar: „Verkündigung in den Medien war schon immer Teil des Pfarrberufs. Die Medien haben sich verändert. Aber wir in der Kirche arbeiten immer noch mit den Werkzeugen aus den 1980er Jahren.“ Menschen interessierten sich für Menschen, die für etwas brennen – und nicht für eine Institution wie die Kirche, die sie catchen will. „Keiner checkt Landeskirche“, so drückt es Marcus Schneider aus.

Christoph Breit auf Twitter

Die eigenen Höhen und Tiefen bilden Brücken zu Menschen

„Sei echt! Gib etwas von deinen Kämpfen wider! Sei leidenschaftlich!“ so die Tipps des bodybuildenden Pastors. „Wann immer ich persönlich rede, baue ich Brücken zu Menschen.“ Wer sich öffentlich zeigt, muss auch mit Shitstorms rechnen. Darum sei es wichtig, sich Leute zu suchen, die hinter einem stehen. „Und jemanden, der dir konstruktive Kritik gibt“, fügt Theresa Brückner hinzu. Alle fünf machen ihren Pfarrkolleginnen und –kollegen bei dem Workshop Mut: mit der Technik, die man habe loszulegen, ohne Druck, was liefern zu müssen, das zeigen, was einen begeistert. Marcus Schneider appelliert: „Ängstliche Leute gibt es genug. Do it!“

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