Liebe leben

Die neun größten Beziehungs-Irrtümer

Lise Gagne/istockphoto.comKein Irrtum - diese beiden lieben sich

Gefühle, Geld und Geschirrspülen. Beim Paartherapeuten kommt (fast) alles auf den Tisch, was Paaren Freud und Leid beschert.

privatDr. Wolfgang Schrödter kennt sie - die großen und kleinen Herausforderungen, denen sich Paare stellen

Ob jung oder alt, verheiratet oder frisch verliebt - die Paare, die zur Evangelischen Beratungsstelle Frankfurt-Höchst kommen, sind genauso bunt gemischt wie ihre Fragen und Probleme. Doch einige Missverständnisse in Sachen Beziehung begegnen dem Leiter des Zentrums, dem Paartherapeuten Dr. Wolfgang Schrödter, immer wieder:  

1. „Eifersucht darf es in einer Beziehung nicht geben.“

Übermäßige Eifersucht kann sich tatsächlich zu einem Beziehungskiller entwickeln. Ist einer der Partner krankhaft eifersüchtig und kontrolliert den anderen ständig, kann das problematisch für eine Beziehung sein. Trotzdem betont Wolfgang Schröder: „Ein bißchen Eifersucht ist nicht unbedingt schlecht. Es kommt immer auf die Dosis an.“

2. „Glückliche Paare haben keine Geheimnisse voreinander.“

Das ist leider falsch, sagt der Experte. Auch wenn Paare gerade in der ersten Phase der großen Verliebtheit alles voneinander wissen möchten, hört er immer wieder von Paaren: „Ich habe zu viel erzählt. Das hätte ich lieber nicht sagen sollen.“ Zu viel Offenheit kann die Beziehung auch belasten. Kennt der Ehemann beispielsweise jedes Detail über frühere Beziehungen seiner Frau, kann ihm das auch das Gefühl vermitteln: „Ich werde mit ihren Ex-Freunden verglichen und ich muss besser sein.“

3. „Der Partner sollte immer ein offenes Ohr für die Probleme des anderen haben.“

Interesse und Anteilnahme am Berufsalltag des anderen tun gut. Ungesund für eine Beziehung ist es, wenn ein Partner erwartet, dass der andere zum täglichen Seelentröster für ihn wird. Wolfgang  Schrödter: „Aufbauhilfe ist gut. Aber sie sollte nicht überhand nehmen.“ Der Partner solle nicht in die Rolle eines Ersatztherapeuten geraten. Deshalb macht der Paarberater Mut, bei größeren Herausforderungen professionelle Hilfe aufzusuchen.

4. „Gespräche über Geld zerstören die Liebe.“

Über Geld reden sollten Paare aber unbedingt, betont der Paarberater. Denn ob
das gemeinsame Einkommen zum Leben reicht und wer darüber verfügt, hat großen Einfluss auf die Beziehung. Offenheit ist laut Schrödter das A und O in Sachen Finanzen: „Wenn das Geld knapp ist, muss das offengelegt werden. Wenn man sich den teuren Urlaub nicht leisten kann, geht das eben nicht. Dann muss man die Situation solidarisch durchstehen.“ 

5. „Eine gute und enge Beziehung zu den Schwiegereltern ist Gold wert.“

Ein harmonisches Verhältnis zu den Eltern des Partners wünscht sich jeder.
Zu viel Harmonie und Nähe sollte aber die Alarmglocken schrillen lassen. Wenn die Schwiegertochter beispielsweise wie eine Tochter gesehen wird und selbstverständlich mit der Großfamilie in den Urlaub fährt, kann sie ihren Mann eher in der Bruderrolle wahrnehmen. Und im Gegensatz zu Paarbeziehungen sind sexuelle Beziehungen unter Geschwistern tabu. So kann es passieren, dass Paaren ihre Sexualität abhanden kommt, weil sie sich plötzlich wie Bruder und Schwester fühlen. Deshalb rät Wolfgang Schrödter im Umgang mit Schwiegereltern: „Vorsicht, dass das Verhältnis nicht zu distanzlos wird“. 

6. „Wir kennen uns schon in- und auswendig.“

Vor allem junge Paare, die früh heiraten, überschätzen oft, wie gut sie den anderen wirklich kennen. Laut Schrödter kann es durchaus fünf Jahre dauern bis sich ein Paar wirklich kennt. Auch Partner, die verschiedene Kulturen, Nationalitäten oder Religionen angehören, brauchen ihre Zeit.

7. „Kinder sind die Krönung unserer Beziehung.“

Ob Kinder zu einem erfüllten Leben gehören, beantwortet heute jedes Paar für sich.  Viele Paare, die sich bewusst für Kinder entscheiden, konzentrieren sich fast ausschließlich darauf, dass das „Projekt Kind“ gelingt. Das wird oft zum Stolperstein innerhalb der Beziehung, so Wolfgang Schrödter: „Viele Paare können sich durch ihre neuen Rollen als Vater und Mutter nur noch in der Sexualität als Liebespaar wiederfinden.“ Nur wie rettet man den Paar-Bereich, solange die Kinder klein sind? Da helfen nur Disziplin und ein Babysitter, der regelmäßige kleine Fluchten zu zweit ermöglicht: ein Abend pro Woche, oder alle paar Monate mal ein Paarwochenende in einer anderen Stadt. Es sind simple Dinge, die die Liebe retten können.

8.  „Mit den Jahren wird doch aus jeder Beziehung die pure Routine.“

Das muss nicht sein, ist die Erfahrung des Paarexperten. Er erklärt, dass Beziehungen mit den Jahren reifen können. Wer vierzig Jahre lang verheiratet ist, kennt den anderen und weiß, dass er sich auf ihn verlassen kann. Trotzdem lauert auch da die Gefahr, weiß Schrödter: „Langjährige Paare ersticken häufig an Gemeinsamkeiten. Sagt der eine „Piep“, weiß der andere schon, was gleich kommt.“ Solche Kreisläufe können eine Beziehung lähmen, deshalb empfiehlt Wolfgang Schrödter Paaren immer wieder für Neuerungen zu sorgen und den Partner zu überraschen. Mit einem gemeinsamen Tanzkurs, mit einem Abenteuer- statt Hotelurlaub. Oder auch mit einem Hobby, das man nur für sich alleine pflegen möchte. Erscheint der Partner wieder ein bisschen fremd, macht ihn das auch wieder attraktiver.

9. „Für eine Paartherapie ist es bei uns doch schon zu spät“

„Zu spät ist es nie“, macht Wolfgang Schrödter Mut. In seiner Beratungspraxis erlebt er nicht nur Krisenpaare, sondern auch solche, die bereits getrennt sind. Der Antrieb kann ganz unterschiedlicher Natur sein: Manche möchten sie die Trennung verarbeiten oder wegen der gemeinsamen Kinder harmonisch miteinander umgehen. Außerdem erlebt er Paare, die erst ganz kurze Zeit zusammen sind und sich Tipps für eine langfristig gelingende Partnerschaft erhoffen. Den perfekten Zeitpunkt für eine Paarberatung gibt es nicht, meint Wolfgang Schrödter: „Die meisten Paare haben ein gutes Gespür dafür, wann der richtige Zeitpunkt ist, sich professionelle Hilfe zu suchen.“ Aber nicht jedes Paar braucht seine Unterstützung. Er erklärt: „Viele Paare können auch sehr gut ohne uns Profis arbeiten und entwickeln auch manchmal sehr gute eigene Lösungen.“

von Kerstin Mühlmann

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