Hilfsaktion

Eintracht Frankfurt Fans helfen Obdachlosen in Frankfurt

Steffen EdlingerPortraitJens Meißner alias Kuttenpaule war obdachlos. Mittlerweile ist er selbst zum Helfer geworden.

Jens Meißner alias Kutten-Paule ist beim Eintracht-Club „Soziale Kuttenfreunde Frankfurt“ (SKFF). Mit verschiedenen Aktionen helfen sie sozial benachteiligten Menschen. In der Nacht zum Samstag hat der Club Hilfspakete an Obdachlose verteilt.

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Die Pavillons werden aufgebaut. Anja Nickel übergibt ein Obstpaket.

Von Steffen Edlinger

Es ist zwei Uhr morgens. In Frankfurt-Riederwald ist es ruhig, die Straßen sind leer, nur die Laternen brennen noch im alten Frankfurter Arbeiterviertel. Und auch im Gebäude des Kegelvereins Riederwald brennt Licht. Ein weißer Lieferwagen steht vor der Eingangstür. Mehrere Männer in Jeansjacken mit aufgenähten Eintracht-Frankfurt-Stickern sind gerade dabei, ihn mit großen Paketen zu beladen. Unter ihnen Jens Meißner. Er ist groß, muskulös und stämmig, trägt eine schwarze Mütze auf dem Kopf. SKFF ist mit großen, weißen Buchstaben darauf gestickt.

Essen und CARE-Pakete für Obdachlose

„Wir verteilen heute Essen und CARE-Pakete an Obdachlose“, erzählt er: „SKFF – das sind die sozialen Kuttenfreunde Frankfurt. Wir unterstützen und machen selbst soziale Projekte.“ 2016 hat Jens Meißner – Eintrachtfan und Kuttenträger – den sozialen Fußballclub ins Leben gerufen. Dass er sich sozial engagiert, hängt mit seiner eigenen Vergangenheit zusammen. „Ich musste selber erleben, morgens aufzuwachen und zu sehen: Wo kriegst du was zu Essen her?“, erinnert er sich einige Jahre zurück: „Es ging damals schnell. Auto gehabt, Rate nicht bezahlt, dann kam die Bank – Auto weg! Dadurch habe ich die Arbeit verloren, die Wohnung verloren und dann war auch die Freundin weg. Dann stand ich da.“ Kutten-Paule war selbst obdachlos. Nur durch einen Freund, der ihn in seinem Wohnwagen aufnahm und ihm auf seinem Hof Arbeit gab, konnte er wieder zurück in die Normalität finden. „Und das möchte ich jetzt wieder zurückgeben“, sagt er zufrieden und blickt in die große Runde seiner sozialen Eintrachtfreunde.

Jeder der Eintrachtfans steuert was zum Projekt bei

Einer der Kuttenfreunde hat das Gebäude des KV Riederwald für die Nacht organisiert. Im Inneren des Vereinsgebäudes wird an langen Holztischen fast wie am Fließband gearbeitet. Überall sind Hände in Einweghandschuhen zu sehen, die Brötchen aufschneiden, sie mit Wurst beschmieren und dann in Plastiktüten packen. Ein Tisch weiter werden Rücksäcke bepackt. Hygieneartikel, warme Decken, Obst, ein Schokonikolaus, der noch von Weihnachten übrig ist. Auch die Rucksäcke landen dann in riesigen Kisten. Die Stimmung ist gut, überall wird gelacht und geplaudert. „So viel wie dieses Jahr war’s noch nie“, ist aus dem Gemurmel herauszuhören. Dann ein zustimmendes Nicken von allen Seiten. Alle haben entweder Eintrachtmützen auf, einen Eintrachtschal, oder eine Eintrachtjacke an – oder eben eine Kutte, so wie auch Jens Meißner eine hat.

Unter den Helfern ist auch Anja Nickel. „Heute morgen um halb eins war ich schon bei der Bäckerei Huck und habe die ganzen Brötchen abgeholt“, erzählt sie und blickt voller Begeisterung auf die ganzen vollen Pakete. Jeder der sozialen Kuttenfreunde hat bei Läden oder Bekannten gefragt, ob diese was für die Aktion bereitstellen. So konnte ein kompletter Sprinter voller Hilfsartikel gefüllt werden.

Am Eschenheimer Tor werden die Hilfspakete an Obdachlose verteilt

Gegen halb vier kommt plötzlich Aufbruchstimmung im Vereinshaus auf. „Wir müssen jetzt los!“ – „Auf geht’s!“ Alle ziehen ihre Schals an, knöpfen sich die Jacken zu und treten raus in die winterliche Kälte. Die Autos und der Sprinter sind voll beladen. Das nächste Ziel: Die U-Bahn-Station Eschenheimer Tor in der Frankfurter Innenstadt. Hier übernachten diesen Winter obdachlose Menschen in der B-Ebene der Station. Dort angekommen stellen die Kuttenfreunde Pavillons auf und Tische. Dort stellen sie die Hilfspakete bereit, aber auch etwas zu Essen und warmen Kaffee gibt es.

Die Ersten kommen bereits aus der B-Ebene der Station hervor, beobachten das Geschehen ruhig und bleiben auf Abstand. Manche von ihnen zittern, frieren, sind der winterlichen, kalten Nacht nicht angemessen bekleidet. „Kommen Sie nur her! Wollen Sie Kaffee und heiße Suppe?“, ruft die Frau aus dem Pavillon, während die anderen vom Fanclub noch den Sprinter ausladen. Ein Mann, dunkel gekleidet mit schwarzer Mütze, tritt an den Pavillon heran. Die anderen folgen ihm. Schon nach einiger Zeit ist der ganze Platz voll.

Circa 150 Obdachlose und Hilfsbedürftige nehmen die Hilfe an

Jetzt stehen die Menschen vor dem Pavillon Schlange – und die Helfer haben alle Hände voll zu tun. „Wie gut, dass ihr da seid“, sagt eine ältere, kleine Dame mit buntem Kopftuch aus Rumänien. „Ich wurde erst operiert. Am Herzen“, erzählt sie den Helfern und nimmt eine große Decke entgegen, um sich aufzuwärmen. „Es ist so wunderschön, wenn sie sich so freuen“, sagt Anja Nickel dann mit einem Blick in die Runde. „Der Eine steht schon gefühlt seit der ersten Minute hier und mag auch diesen Kontakt hier zu den Anderen.“

Michael Tibusch ist extra aus dem Ruhrgebiet angereist

Trotz der vielen Arbeit bleibt auch immer mal Zeit für ein Gespräch. Kutten-Paule geht laut lachend durch die Reihen und begrüßt einen großen, stämmigen Mann mit Brille, Oberlippenbart und Kutte. „Guten Morgen! Unser Duisburger Freund ist angereist“, sagt er erfreut und umarmt den Mann herzlich. Tatsächlich ist Michael Tibusch extra aus dem Ruhrgebiet für die Aktion der Kuttenfreunde gekommen. „Ich reise jedes Mal an, weil mir das Freude macht, Menschen zu helfen“, erklärt er ganz angetan von dem nächtlichen Trubel vor dem Eschersheimer Turm.

Für Jens Meißner und den Club war es eine erfolgreiche Nacht. Für ihn ist es ein gutes Gefühl, seinen Mitmenschen zu helfen. „Ich würde mir auch wünschen, dass es andere inspiriert und dass sie den Mut haben, mal die Initiative zu ergreifen, was zu machen“, appelliert er: „Man muss klein anfangen, es wächst mit der Zeit. Und das sieht man ja heute hier.“ Während sich die Kuttenfreunde und die Obdachlosen noch in anregenden Gesprächen und Plaudereien befinden, während noch Kaffee getrunken und Suppe gegessen wird, machen sich viele in Frankfurt schon wieder auf den Weg zur Arbeit.

 

 

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