Pflege

„Es muss mehr Geld ins System“

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Bundesweit stehen die Anbieter von ambulanten Pflegedienstleistungen unter enormem finanziellen Druck. Kirchliche Pflegedienste in der Region überleben nur dank Notlagenregelungen und Zuschüssen aus Kirchensteuern. Karsten Packeiser vom Evangelische Pressedienst (epd) fragte den Pflegewissenschaftler Frank Weidner von der Philosophisch-Theologische Hochschule Vallendar nach seiner Sicht der Situation.

Die kirchlichen Träger begründen ihre finanziellen Probleme mit der unzureichenden Refinanzierung ihrer Arbeit durch die Kassen und damit, dass sie ihre Mitarbeiter zu besseren Bedingungen beschäftigen als private Anbieter. Ist diese Darstellung so eigentlich korrekt?

Frank Weidner: Dem würde ich grundsätzlich zustimmen, wobei es auch unter den kirchlichen Anbietern Unterschiede gibt. Weil es einen enormen Kostendruck wegen der besagten unzureichenden Refinanzierung der Arbeit gibt, sind alle Anbieter gezwungen, auch bei den Tarifen die Gürtel enger zu schnallen. Da kirchliche Träger in der Regel keine Gewinne erwirtschaften müssen und nicht selten noch Zuschüsse aus verschiedenen Töpfen nutzen können, haben sie geringfügig mehr Spielraum als ein profitorientiertes privates Unternehmen. Insgesamt stellen neben den Personalkosten und den Sachkosten auch die Fahrtkosten ein großes Problem dar. In einigen Gebieten in Rheinland-Pfalz lohnt es sich einfach nicht mehr, einen ambulanten Dienst zu betreiben, weil sie für jede Fahrt etliche Euro drauflegen müssen.

Welchen Weg sehen Sie, wenn Kirchen und Diakonie das Arbeitsfeld ambulante Pflege nicht aufgeben wollen, aber Verluste auch nicht mehr dauerhaft durch Spenden oder Kirchensteuermittel ausgleichen können?

Weidner: Es muss mehr Geld ins System. Das will die neue Bundesregierung auf den Weg bringen, aber das wird zu wenig sein, denn es geht ja nicht nur um die Sicherung des bestehenden Systems, sondern um die Finanzierung eines neuen Systems.

Glauben Sie daran, dass die von der großen Koalition geplante Anhebung der Pflegeversicherungsbeiträge die Situation entschärfen würde?

Weidner: Allein die Umsetzung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs wird rund fünf Milliarden Euro jährlich kosten. Damit wäre die Beitragserhöhung bereits vollständig aufgefressen. Die geplante Anhebung korrigiert bestenfalls die Versäumnisse der letzten Jahre. Und die Tatsache, dass die Pflegeversicherung keine großen Defizite erwirtschaftet hat, ist im Kern der Tatsache geschuldet, dass die Leistungen nicht mehr vollends bedarfsgerecht sind und die bestehenden Leistungen auch nicht voll ausgeschöpft werden. So werden Mittel zur Verhinderungspflege, zur Kurzzeit- und Tagespflege regelmäßig von weniger als fünf Prozent der Leistungsberechtigten beantragt. Dadurch spart die Pflegeversicherung jährlich Milliarden Euro!

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