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Kardinal Lehmann geht nach 32-jähriger Amtszeit in den Ruhestand

Bistum MainzKarl Kardinal LehmannKarl Kardinal Lehmann

Keiner der aktuellen katholischen Bischöfe in Deutschland war so lange im Amt wie Karl Lehmann. Und nur wenige sind ähnlich populär. Wenn der Mainzer Kardinal in wenigen Tagen wohl in den Ruhestand geht, hinterlässt er eine große Lücke.

Im Mainzer Dom werden bereits Kabel verlegt und die Lichtanlage aufgebaut, neben der Kirche sind die Übertragungswagen für den großen Geburtstagsgottesdienst vorgefahren. Am Pfingstmontag wird Kardinal Karl Lehmann 80 Jahre alt, und es bestehen mittlerweile keine Zweifel mehr, dass Papst Franziskus das Rücktrittsgesuch von Deutschlands dienstältestem katholischen Bischof zu diesem Termin annehmen wird. Weit über die Bistumsgrenzen hinaus genießt der frühere Theologieprofessor mit der eigenartig schnarrenden Stimme größten Respekt.

In seiner rekordverdächtigen 32-jährigen Amtszeit gelang Lehmann das Kunststück, seine Leidenschaft für die theologische Wissenschaft mit einer äußerst bodenständigen Amtsführung zu verbinden. Seine kolossale Veröffentlichungsliste umfasst mehr als 4.200 gedruckte Texte, die er bis zuletzt noch selbst mit der Hand schrieb. Aber den Menschen in Rheinland-Pfalz und Hessen blieb der bekennende Mainz-05-Anhänger mindestens ebenso durch seine Stadionbesuche mit Fan-Schal in Erinnerung. Vor allem prägte der 1936 in Sigmaringen geborene Sohn eines Volksschullehrers die katholische Kirche als langjähriger Vorsitzender der Deutschen Bischofskonferenz mit.

 „Karl Lehmann ist über Jahrzehnte hinweg das Gesicht einer weltoffenen und menschenfreundlichen Kirche geworden“, sagt der frühere ZDF-Intendant Markus Schächter. Zum 80. Geburtstag des Kardinals hat der einstige Fernseh-Chef mehrere lange Gespräche mit Lehmann geführt, die in Buchform erschienen sind. Darin äußert der Bischof auch deutliche Kritik an Fehlentwicklungen in seiner Kirche.

Als Assistent des Theologen Karl Rahner hatte der junge Lehmann noch selbst am Zweiten Vatikanischen Konzil teilgenommen, jener historischen Versammlung, mit der sich die katholische Kirche zur modernen Welt hin öffnete. Wie kein Zweiter habe er seither versucht, die Ergebnisses des Konzils in Deutschland ins Leben umzusetzen, glaubt Christian Weisner, Sprecher der Reformbewegung „Wir sind Kirche“: „Er ist ein Kämpfer mit theologischen Argumenten, aber gegen die Machteliten in Rom hat er sich nicht durchsetzen können.“ Während Lehmanns Amtszeit sei deutlich geworden, wie sehr sich der Wind im Vatikan wieder gedreht habe.

An der Spitze der Deutschen Bischofskonferenz genoss Lehmann lange den Ruf eines verhältnismäßig liberalen Vordenkers und besonnenen Reformers, der sich auch stark für die Ökumene einsetzte. Im langjährigen Streit um den vom Vatikan geforderten Ausstieg aus der Schwangerenkonfliktberatung scheute er selbst vor einem offenen Konflikt mit Papst Johannes Paul II. nicht zurück. „Wir haben gekämpft, und wir haben verloren“, kommentierte er 1999 schließlich das Machtwort aus Rom. Auffällig lange wurde Lehmann ausgespart, wenn der polnische Papst den Kreis der Kardinäle erweiterte. Erst 2001 wurde auch dem Mainzer Bischof die Ehre zuteil.

Frustrationen und Anfeindungen seien nicht einfach an Lehmann abgeperlt, sagt der frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Wolfgang Huber, den nach jahrelanger Zusammenarbeit inzwischen eine persönliche Freundschaft mit dem Kardinal verbindet: „Aber all das hat weder seinen Glauben noch seinen Humor, noch die Loyalität zu seiner Kirche infrage gestellt.“

In den zurückliegenden Jahren war Lehmann - auch wegen gesundheitlicher Probleme - seltener in der Öffentlichkeit zu sehen. Die Jahre an der Spitze der Deutschen Bischofskonferenz seien auch mit einem „Raubbau“ an seiner Gesundheit einhergegangen, räumte Lehmann Anfang Mai in Mainz in aller Offenheit ein. Den Abschied aus dem Amt betrachte er mit einer Mischung aus Wehmut und Erleichterung, sagte er. Hoffnungen auf schnelle große Reformen in der katholischen Kirche erteilte der Kardinal bei seiner letzten großen Pressekonferenz eine Absage. An kleine Schritte glaube er weiter, denn schon als junger Mensch habe er erfahren: „Und sie bewegt sich doch.“

Karl Lehmanns Biografie in Stichpunkten

16. Mai 1936: Karl Lehmann wird in Sigmaringen an der Donau geboren.

1956 - 1964: Philosophie- und Theologiestudium in Freiburg und Rom.

1962 - 1965: Als Mitarbeiter des Theologen Karl Rahner nimmt Lehmann am Zweiten Vatikanischen Konzil teil, dessen weitreichende Beschlüsse die Öffnung der römisch-katholischen Kirche hin zur modernen Welt und zur Ökumene einleiteten.

1963: Lehmann empfängt in Rom die Priesterweihe.

1968-1983: Theologieprofessor an den Universitäten Mainz und Freiburg.

1983: Papst Johannes Paul II. ernennt Lehmann am 23. Juni zum Bischof von Mainz, die feierliche Bischofsweihe erfolgt am 2.Oktober.

1987: Lehmann wird zum Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz gewählt und damit zum profiliertesten Sprecher der katholischen Kirche in Deutschland.

1994: Gemeinsam mit den Bischöfen Oskar Saier (Freiburg) und Walter Kasper (Rottenburg-Stuttgart) fordert Lehmann in einem Hirtenbrief einen liberaleren Umgang der Kirche mit Geschiedenen, die erneut heiraten - und bringt damit konservative Kreise in Rage.

1999: Im langwierigen Streit um den Verbleib der katholischen Kirche in der vom Vatikan bekämpften Schwangerenkonfliktberatung muss Lehmann sich einem Machtwort von Papst Johannes Paul II. beugen.

2001: Johannes Paul II. verleiht Lehmann überraschend die Kardinalswürde, nachdem der Mainzer Bischof zuvor auffallend lange nicht in den Kreis der Kardinäle aufgenommen worden war.

2005, 2013: Als Kardinal nimmt Lehmann an zwei Konklaven der katholischen Kirche im Vatikan teil, bei denen der Deutsche Joseph Ratzinger (2005) und der Argentinier Jorge Mario Bergoglio zum Papst gewählt werden.

2008: Lehmann legt aus gesundheitlichen Gründen den Vorsitz der Deutschen Bischofskonferenz nieder.

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