Gerechte Löhne

Lieferkettengesetz soll Ausbeutung verhindern

dpa/NurPhoto/Ziaul HaqueKinderarbeit: Ein Junge arbeitet in einer Jeans-Fabrik in Bangladesch.

Wer Kinderarbeit und Ausbeutung verhindern will, muss auf alle Produktionsstufen schauen, bis ein T-Shirt oder der Kaffee bei den Verbrauchern angekommen ist. Ein europäisches Lieferkettengesetz könnte Abhilfe schaffen.

Statt in der Schule zu sitzen, schuften sie auf Baumwoll-, Kakao- oder Kaffeeplantagen, in der Textilindustrie, in Bergwerken und der Landwirtschaft. Weltweit müssen sich über 150 Millionen Kinder verdingen, weil ihre Eltern nicht genug zum Leben verdienen. Rund die Hälfte von ihnen ist giftigen Stoffen sowie Misshandlungen ausgesetzt. Ihnen soll das Lieferkettengesetz helfen. Bundesentwicklungsminister Gerd Müller hatte angekündigt, ein europäisches Lieferkettengesetz voranzutreiben, wenn Deutschland im Juli die Ratspräsidentschaft in der EU übernimmt.

Kinderarbeit unterbinden

Wie er betonte, wären große europäische Unternehmen damit verpflichtet, den Erwachsenen ausreichende Löhne zu bezahlen, Kinderarbeit und Menschrechtsverletzungen zu unterbinden. Das fordert die von kirchlichen Stellen, Nichtregierungsorganisationen und Gewerkschaften getragene »Initiative Lieferkettengesetz« seit langem.

Dumpingpreise haben ihren Preis

Zur Online-Diskussion »Gegen Gewinne ohne Gewissen! – Warum brauchen wir ein Lieferkettengesetz?« hatte unter anderen Brot für die Welt eingeladen, die Initiative Lieferkettengesetz sowie das Zentrum Ökumene der hessen-nassauischen und der kurhessen-waldeckschen Kirche. Juristin Maren Leifker von Brot für die Welt machte klar, dass Unternehmen nur aufgrund von Menschenrechtsverstößen, ausbeuterischen Arbeitsbedingungen und Umweltzerstörung ihre Produkte zu Dumpingpreisen verkaufen könnten.
Obendrein unterlägen sie keinerlei Verpflichtungen. So hätten Firmen im Zuge der Corona-Pandemie bei ihren Zulieferern »von heute auf morgen massenhaft Aufträge storniert«. Die »fatalen Folgen für die Leute vor Ort« scherten sie nicht, kritisierte die Referentin für Wirtschaft und Menschenrechte.

Appelle reichen nicht aus

Das weitgehende Auslagern von Produktionsrisiken habe der UN-Menschenrechtsrat zwar längst als Problem erkannt. Der bloße Appell, sich an internationale Menschenrechtsstandards zu halten, bewirkt ihrer Erfahrung nach jedoch wenig, sagte Leifker. Gleiches gelte für die Aufforderung der deutschen Regierung, »menschenrechtliche Sorgfalt« anzuwenden.
»Freiwillige Prinzipien sind schön und gut«, räumte Juristin Leifker ein. Wirkliche Veränderungen ließen sich aber nur über ein Gesetz erreichen.

Nicht für Missstände in anderen Ländern haften

Als Geschäftsführerin eines auf textile Kunststoffe spezialisierten Unternehmens drängen sich Désirée Derin-Holzapfel bezüglich des Gesetzes einige Fragen auf. Es dürfe zum Beispiel nicht sein, dass deutsche Unternehmen für generelle Missstände in den Ländern ihrer Lieferanten in Haftung genommen werden können.

Auch Endverbraucher tragen Verantwortung

Außerdem hätten »große Konzerne wie Amazon oder H&M keinen Sitz in Deutschland und wären von dem Gesetz nicht betroffen«. Endverbraucher, die T-Shirts für 99 Cent kaufen, müsse man letztlich auch in die Verantwortung ziehen, findet das Präsidiumsmitglied des Verbandes der Textil- und Bekleidungsindustrie Hessen, Rheinland-Pfalz und Saarland.
»Es ist wichtig, dass auf europäischer Ebene Politik und Wirtschaft gemeinsam nach Wegen suchen, wie sich ein Lieferkettengesetz sinnvoll und ohne Wettbewerbsverzerrung durchsetzen lässt«, hob Derin-Holzapfel hervor. Aus Angst, am Pranger zu landen, würde eine »deutsche Insellösung gerade kleine Firmen zum Rückzug bewegen«.

Risiken bei Schadensersatz

Axel Schröder beleuchtete das Thema aus Perspektive der Tchibo GmbH. »Im Großen und Ganzen ist das Unternehmen auf Linie mit dem Lieferkettengesetz«, versicherte der »Sustainable Manager für Menschenrechte«. Vorbehalte gebe es aber bei den Schadensersatzregelungen. »Sie bergen unvorhersehbare unternehmerische Risiken.« Bei einem Angebotsspektrum, das sich von Kaffee über Textilien, Spielzeug bis Möbel erstreckt, sei das für den Konzern überaus problematisch.

Tchibo: »Wir sindTeil des Problems«

»Lieferketten sind für Tchibo fundamental«, sagte der Politikwissenschaftler und bekannte: »Wir sind Teil des Problems.« Daher achte man darauf, dass es etwa »im Textilbereich existenzsichernde Löhne« gibt, beim »Kaffeeanbau weder ›Land Grabbing‹ noch Zwangs- oder Kinderarbeit« eine Rolle spielen, neben großen Herstellern auch mit Kooperativen zusammengearbeitet wird.
Allerding ließen sich nicht immer alle menschenrechtlichen Aspekte überprüfen, gab Axel Schröder zu bedenken. Um mehr Wirkung vor Ort zu erzielen, begrüße Tchibo zwar ein Lieferkettengesetz für Europa, stelle in einem Positionspapier aber klar: »Fairness darf kein Wettbewerbsnachteil sein.«

Sanktionen bei Verstößen

Dieser Ansicht ist auch der Leiter der Abteilung Wirtschaftspolitik des Deutschen Gewerkschaftsbundes Hessen-Thüringen, Kai Eicker-Wolf. Damit am Ende nicht gelte »der Ehrliche ist der Dumme« brauche es eine gesetzliche Grundlage, in der auch Strafen und Sanktionen für Verstöße vorgesehen sind.
Doris Stickler
Ein Mitschnitt der Diskussion ist abrufbar unter bit.ly/2UUOF7T

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