Das Hamsterrad stoppen

Meditation als Tür zu innerer Ruhe und Gottes Freundschaft

Charlotte MattesHände mit hinduistischer Gebetskette„Ich empfinde, dass ich gefunden bin.“

Zeitschriften wie „happinez“, „happy way“ und die neue "Herzstück" signalisieren, dass sich Menschen nach einem spirituellen Gegengewicht im Alltag sehnen. Von seiner ganz persönlichen Glaubenspraxis erzählt der evangelische Pfarrer Christoph Wildfang.

Nordelb. KircheGrafik: Die Bedeutung der einzelnen Perlen der evangelischen Meditationskette „Perlen des Glaubens“Die Bedeutung der einzelnen Perlen der evangelischen Meditationskette „Perlen des Glaubens“

Will ich das wirklich? Entspricht mir das? Meditation ist eine Möglichkeit, die eigene, von Gott gegebene innere Stimme wieder wahrzunehmen. Darin hat Pfarrer Christoph Wildfang aus Arnoldshain im Hochtaunus Erfahrung, er meditiert jeden Morgen. Der sympathische Pfarrer mit der ruhigen Stimme hat vor vier Jahren mit der Meditation angefangen. „Ich habe gemerkt, dass ich keine Maschine bin, die einfach funktioniert“.

Wildfang verbindet christliche und hinduistische Elemente

Wildfang ist viel gereist und hat so unterschiedliche Meditationsformen kennen gelernt. Aufgrund seiner Erfahrungen integriert er christliche Inhalte mit Elementen der hinduistischen Meditation. Wenn Wildfang morgens meditiert, nimmt er eine Mala zur Hilfe, die hinduistische Gebetskette. Die einzelnen Perlen verbindet er dann mit einem christlichen Inhalt.

Ein guter Platz

Für eine halbe Stunde setzt er sich in seinen bunten, alten Stuhl und meditiert. Ein Ort zum Wohlfühlen sei wichtig, um sich entspannen zu können. Wildfang betont, dass der Ort nicht groß sein müsse, dass auch eine Wurzel im Garten reiche, um dort meditieren zu können. Mit Blick auf seinen Garten überlegt sich der Pfarrer vor seiner Meditation ein christliches Wort, das er für seinen Tag braucht: zum Beispiel „Kraft“ oder „Segen“. Oder er meditiert über einem Psalmvers.

Die Mala hilft bei der Konzentration und beim Loslassen

Mit der Mala in seinen Händen spricht er Perle für Perle sein Kraftwort für den Tag. 108 Mal wiederholt er es, das entspricht der Anzahl der Perlen der Mala. Meditation heißt für Wildfang: „Loslassen. Das meint, alles Schlechte lasse ich los und versuche mich auf mich selbst zu konzentrieren“. Die Mala unterstützt Wildfang dabei.

Evangelisches Gebetsarmband „Perlen des Glaubens“

Auch im Christentum gibt es Gebetsketten. Neben dem Rosenkranz der Katholiken gibt es auch ein protestantisches Gebetsarmband: die „Perlen des Glaubens“. 18 Perlen schmücken die Kette, darunter sind farbige Perlen, die eine besondere Bedeutung haben, zum Beispiel „Liebe“ oder „Gelassenheit“. Sie können, ähnlich wie die Mala, Hilfsmittel für die Meditation oder das Beten sein.
Martin Lönnebo, ein evangelischer Bischof aus Schweden hatte 1996 die Idee zu den „Perlen des Glaubens“. Nach Deutschland kam die Gebetskette durch die Pastorin Kirstin Faupel-Drevs.

Meditation und Gesundheit

Presseberichte zeigen, dass sich das Gehirn durch Meditation verändert. Dabei hat sich herausgestellt, dass Meditation auch bei Depressionen hilft. Das haben die Forscher Dr. Phillip Keune und Dr. Vladimir Bostanov erforscht. Ihre Studie „Wieso Achtsamkeitsmeditation vor Depressionen schützen kann: Erkenntnisse aus der Hirnforschung“, zeigt, „dass geführte Achtsamkeitsmeditation sich positiv auf einen negativen Gemütszustand bei ehemals depressiven Menschen auswirkt.“

Nicht zu viel erwarten

Auch wenn sich Wildfang sicher ist, dass jeder meditieren könne, sollten Meditationsneulinge nicht zu viel erwarten. Es könne Tage oder Wochen dauern, bis man richtig ausatmet, aber man solle nicht aufgeben.

„Ich fühle mich nachher einfach frischer, gestärkter“

Wenn Pfarrer Wildfang mal verschläft oder wegen wichtiger Termine keine Zeit für sein morgendliches Ritual hat, merkt er das sofort und nimmt sich am nächsten Tag mehr Zeit für sich. Der Pfarrer braucht seine Meditation: „Ich fühle mich nachher einfach frischer, gestärkter. Ich empfinde, dass ich gefunden bin. Ja Gottes Nähe, Gottes Freundschaft - das ist ein wunderbares Gefühl.“

Meditation in den Weltreligionen

Alle großen Weltreligionen kennen die Praxis der Meditation, wobei sie in den östlichen Religionen im Mittelpunkt steht. Im Christentum spielt sie eher eine untergeordnete Rolle, hier hat sich vor allem im Mittelalter eine mystische Tradition entwickelt, die im 15. und 16. Jahrhundert verboten wurde. Die christlichen Mysiker haben danach gestrebt, den Verstand und das Denken zur Ruhe zu bringen, um einen „Urgrund“ wahrnehmen zu können. Ziel ist, den inneren Sinn der göttlichen Offenbarung zu erkennen. Der Hinduismus kennt eine ähnliche Idee: Hier geht es darum, dem „Sein hinter allem Seienden“ auf die Spur zu kommen. Deshalb geht ein Teil der  Religionswissenschaftler davon aus, dass Meditation eine Praxis ist, die die Spiritualität des Ostens mit der des Westens über religiöse und konfessionelle Grenzen hin verbindet. Kritiker hingegen stellen den universalen Charakter der Meditation in Frage, denn sie gehen davon aus, dass religiöse Erfahrungen stark von der jeweiligen Kultur und den unterschiedlichen Glaubensinhalten vorgeprägt sind. [RD]

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