Rechtsextremismus

Pfarrer wehren sich gegen rechtsradikale Hasskampagne

Campre83/istockphoto.comGegen Fremdenhass: Flüchtlinge willkommen

Zwei Pfarrer aus Steinbach im Taunus wehren sich gegen eine Hasskampagne im Netz. Sie hatten sich für Weltoffenheit und gegen Fremdenhass ausgesprochen.

Der evangelische Pfarrer Herbert Lüdtke und der katholische Pastoralreferent Christof Reusch aus Steinbach am Taunus wehren sich gegen eine im Internet angezettelte Hasskampagne. Die beiden Geistlichen haben Strafanzeige bei der Staatsanwaltschaft Darmstadt wegen Volksverhetzung, Beschimpfung von Glaubensbekenntnissen, Beleidigung, Bedrohung und widerrechtlicher Veröffentlichung ihrer Fotos gestellt. Auslöser sei ein Artikel des Internetblogs „PI-News“ am 24. März zur sogenannten Steinbacher Erklärung gewesen, sagten Lüdtke und Reusch dem Evangelischen Pressedienst (epd).

Nach der Veröffentlichung zahlreiche Hassmails 

Der Artikel habe sich polemisch gegen die Erklärung für Weltoffenheit und gegen Extremismus und Fremdenfeindlichkeit gewandt und dazu die vollständigen Kontaktdaten und Fotos der beiden Geistlichen gestellt. In den folgenden Tagen habe jeder von ihnen 50 bis 60 E-Mails erhalten. Zusammen mit den Kommentaren auf dem Internetblog hätten sie ihn als „Volksschädling“, „Abschaum der Gesellschaft“ oder „mental kranken Menschen“ bezeichnet, berichtete Reusch. Auch Drohungen wie „ihr sollt brennen“ oder „ihr werdet unsere Sklaven in Arbeitslagern“ seien ihm geschickt worden. 

Erklärung soll zeigen: Steinbach stehe für friedliches Zusammenleben 

Die „Steinbacher Erklärung“ ist am 22. Februar von dem „Arbeitskreis Flüchtlinge in Steinbach“, der von den beiden Geistlichen 2013 initiiert wurde, verabschiedet worden. „Steinbach steht für ein friedliches Zusammenleben, Demokratie, Toleranz, Freiheit und Menschlichkeit“, heißt es dort. „Wir werden es nicht hinnehmen, wenn in Steinbach versucht wird, Menschen und Minderheiten wegen ihrer Herkunft, Nationalität, Religionszugehörigkeit, sexuellen Orientierung oder Beeinträchtigung zu diskriminieren.“ Unterzeichnet haben die Erklärung die Evangelische St. Georgsgemeinde und die katholische Pfarrei St. Ursula, Parteien, Vereine, der Hochtaunuskreis und 300 Einzelpersonen. 

Gespräch mit Hassmail-Absendern gesucht 

Lüdtke sagte, er habe nach Erhalt der E-Mails versucht, „hinter die Fassade des bellenden Hundes zu schauen“ und auf die Zuschriften mit Absender geantwortet. Manche seien daraufhin erstaunt gewesen, einer habe sich sogar entschuldigt, etliche hätten aber weiter geschimpft. „Ich knicke nicht ein, ich gehe einer Auseinandersetzung nicht aus dem Weg“, sagte der Pfarrer. 

Unsachlicher Protest gegen die Flüchtlingshilfe der Kirchengemeinde sind dem Pfarrer nicht neu. Bereits im Winter 2015/2016 wurde ein Plakat mit dem Bibelspruch „Ihr sollt die Fremdlinge nicht bedrücken“ über Nacht vom Kirchenzaun gerissen. Jemand zerschlug im vergangenen Jahr und auch Anfang März eine Bierflasche an der Pfarrhaustür. „Die Leichtigkeit ist nicht mehr so“, sagte Lüdtke. Seit dem Shitstorm Ende März schaue er bei einem Klingelzeichen erst durch den Türspion, bevor er öffne. 

Fremdenfeindliche Botschaften an öffentlichen Orten 

In Steinbach gebe es einen hohen Migrantenanteil, erläuterte Reusch. Die Mehrzahl der Kinder in Kindergärten und Schulen stammten aus Einwandererfamilien. Seit vergangenem Herbst würden immer wieder fremdenfeindliche Zettel an Bushaltestellen, auf Mülleimer, auf Fenster der Kirchengemeinde oder an kirchliche Fahnenmasten geklebt. Die Kirchengemeinden stünden in der Auseinandersetzung hinter ihren Geistlichen, auch wenn es unterschiedliche Meinungen unter den Mitgliedern gebe. Auch im Ort und in den Parteien gebe es inzwischen eine Sensibilität gegen Hassparolen. 

Hassparolen sind kein Kavaliersdelikt 

Die Strafanzeige ist nach Angaben des Pressesprechers der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau, Volker Rahn, die erste eines hessen-nassauischen Pfarrers gegen Hassmails. „Das ist kein Kavaliersdelikt“, sagte Rahn. Hassparolen müsse Einhalt geboten werden. Die Kirche mache Betroffenen Mut, rechtliche Schritte dagegen zu prüfen. Die Strafverfolgungsbehörde habe die Ermittlungen aufgenommen, sagte der Darmstädter Oberstaatsanwalt Robert Hartmann dem epd. 

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