Mobilität

Welches Auto kann ich noch guten Gewissens fahren?

Bild: © Getty Images, DragonImageAutokaufBeim Autokauf die Nachhaltigkeit im Blick: individuelle Bedürfnisse mit den Eigenschaften der unterschiedlichen Fahrzeuge abgleichen

Das Auto – Deutschlands Liebling und Sorgenkind zugleich. Es ist wegen des Dieselskandals und seinem Einfluss auf den Klimawandel umstritten. Laut Handesblatt symbolisiert das Auto für 57 Prozent der Deutschen „Unabhängigkeit und Freiheit”, 60 Prozent halten es für eine praktische Lösung. Kann das Dilemma zwischen Umwelt, ethischen Fragen und Individualität beim Autofahren umschifft werden?

„Kein Deutscher möchte auf sein ‚heiliges Blechle’ verzichten“, erklärt ein schwäbischer Passant auf der Frankfurter Zeil. Ein Autofahrer an der Tankstelle findet: „Das Auto ist eben das Lieblingskind der Deutschen. Mit Tempolimits und Fahrverboten nimmt man uns den Spaß am Autofahren.“ Allerdings zeigt die Statistik auch: Der Anteil des Straßenverkehrs an den weltweiten CO2-Emissionen beträgt fast 18 Prozent - und Kohlendioxid trägt als Treibhausgas zum vom Menschen verursachten Klimawandel bei. Doch laut Handelsblatt haben ein Drittel der Deutschen nach eigenen Angaben keine andere Wahl, als das eigene Auto zu nutzen. Und das Blogger-Paar von „comewithus2” spricht sicher vielen aus der Seele, wenn sie schreiben, dass das Auto für sie die „ultimative Freiheit” sei. Ist es möglich, die Begeisterung fürs Autofahren zu leben und gleichzeitig die Umwelt zu schützen? 

Brauche ich ein Auto?

Klar ist, dass momentan Autos für viele Menschen unverzichtbar sind. Für die Landbevölkerung sind Autos essentiell, weil in vielen Fällen der Weg zur Arbeit ohne Auto kaum machbar ist. Im ländlichen Raum kommt es oft vor, dass mehrere Dörfer zu einer Gemeinde gehören. Eine Pfarrerin oder ein Pfarrer muss also ständig zwischen den Dörfern pendeln, wofür oft ein Auto nötig ist. „Als erstes muss ich genau und ehrlich überlegen, ob ich wirklich ein Auto benötige, oder meine Fortbewegung mit alternativen Konzepten wie Carsharing und öffentlichen Verkehrsmitteln, möglich ist“, erklärt Michael Müller-Görnert, Referent für Verkehrspolitik und Luftreinhaltung beim Verkehrsclub Deutschland. Wenn das Auto unverzichtbar sei, dann solle man ein Auto kaufen, was auf das eigene Nutzungsprofil passe und nicht das beste Statussymbol. „Ein Pendler, der jeden Morgen alleine zur Arbeit fährt, braucht keinen großen SUV mit 300 PS, genauso wie ein Kleinwagen für eine Familie mit vielen Kinder unpassend ist“, umreißt Müller-Görnert die Extreme. 

Der Diesel hat ausgedient

Vom Diesel rät Michael Müller-Görnert ab. Der Diesel sei politisch durch Steuervorteile interessant gemacht worden, sei aber insgesamt umweltschädlicher als ein Benziner. „Moderne Benzin-Motoren sind deutlich sauberer im Hinblick auf Feinstaub, beim CO² Ausstoß liegen sie mittlerweile auf einem Niveau mit dem Diesel und der Verbrauch ist nicht viel höher“, erklärt Müller-Görnert. Allein aus Umweltgründen sei der Benziner dem Diesel vorzuziehen. „Die Förderung des Dieselmotors muss eingestellt werden“, fordert er. Dafür sei der Erdgas-Antrieb eine verkannte Alternative. Der CO²-Ausstoß ist deutlich geringer als bei vergleichbaren Benzinern und Dieseln und es wird fast kein Feinstaub freigesetzt. Moderne Erdgasfahrzeuge sind mittlerweile so ausgereift, dass die Süddeutsche Zeitung von der „Diesel-Alternative“ spricht. Wie der Diesel, kostet der Erdgasmotor einen Aufpreis. Mit einer Tankfüllung für zehn Euro kann man allerdings noch mehr Kilometer fahren, als mit Diesel für zehn Euro. Mit dem Erdgasmotor können Vielfahrer also sparen, jedoch nicht, wie beim Diesel, auf Kosten der Umwelt. Das Problem am Erdgas ist die geringe Tankstellendichte und die geringere Reichweite. Mit einem modernen Erdgasfahrzeug hat man eine Reichweite von etwa 400 Kilometern. Je nach Wohnort können die beiden Faktoren ein Problem werden.

Wer profitiert von Erdölprodukten?

Der größte Teil unseres Erdöls und Gases kommt aus Russland – ein Land, in dem vor kurzem der „Putinismus“ ausgerufen wurde, der zum Beispiel für die Annektierung der Krim Halbinsel verantwortlich ist. Mit unseren Importen aus Russland unterstützen wir dieses System. Viel Öl kommt auch aus Nigeria. Das Land wird von Bürgerkrieg und Korruption regiert – nicht zuletzt wegen Erdöl. 

Elektroautos in der ethischen Diskussion

Auch beim Elektroauto stehen soziale und ethische Fragen im Raum. Das Problem liegt in der Batterie, die verschiedenste Rohstoffe in sich trägt, die unter Missachtung sozialer Mindeststandards gewonnen werden. Brot für die Welt beschreibt im Report „Lithium, das weiße Gold“, welche Auswirkung die ansteigende Produktion von Lithium an den Produktionsstandorten hat. Lithium wird ähnlich wie Meersalz in großen Trockenbecken gewonnen, nur dass die Becken an lithiumhaltigen Seen liegen. Durch die verdunstenden Wassermengen geht extrem viel Wasser aus den Seen verloren. Das sorgt für trockenere Böden. So wird die Existenz der Menschen gefährdet, die das Land, bewirtschaften müssen – oft in Subsistenzwirtschaft. In einer Autobatterie stecken bis zu 40 Kilogramm Lithium, was etwa 80.000 Liter Wasser in der Gewinnung kostet. Kobalt wird vor allem im Kongo abgebaut. Laut Amnesty International wurden 2014 etwa 40.000 Kinder in den Minen ausgenutzt, aus denen deutsche Autohersteller ihr Kobalt beziehen. In unseren Elektroautos stecken also Kinderarbeit und Unmengen an Wasser, das an den Entnahmestellen ohnehin schon knapp ist.

Warum gelten Elektroautos trotzdem als zukunftsweisend?

Die Umweltschäden, die bei der Förderung von Rohöl entstehen, sind ebenfalls nicht zu unterschätzen. Immer wieder kommt es zu großen Ölunfällen (Ölpest), an denen unzählige Meeresbewohner verenden. Beim Fracking wird das Grundwasser verunreinigt; in einigen Gebieten in den USA kann man das Wasser aus dem Hahn sogar anzünden. Weder die Gewinnung von Rohstoffen für die Batterie, noch die Förderung von Rohöl sind eine saubere Sache. Trotzdem empfiehlt Michael Müller-Görnert das Elektroauto: „Der Antrieb ist am effizientesten und der CO² Ausstoß beim deutschen Strom-Mix deutlich geringer, als es mit einem Verbrenner zu schaffen ist.“ Der Klimawandel sei das größte Problem unserer Zeit. Es gelte also möglichst wenige Treibhausgase auszustoßen und dafür sei das Elektroauto die beste Möglichkeit. An Problemen wie der Infrastruktur von Ladestationen oder der Reichweite und Ladezeit der Elektroautos hat sich in den letzten Jahren viel getan. Mittlerweile gibt es Elektroautos, die reale Reichweiten von 350 Kilometern – mehr als genug für die meisten Pendelstrecken –  erreichen. Müller-Görnert gibt zu bedenken: „Auch bei Elektroautos gilt es, ein passendes Auto zu kaufen. Größere und stärkere Elektroautos brauchen größere Batterien, in denen also auch mehr Lithium, Kobalt, etc. verbaut ist.“ Kathrin Saudhof, Referentin für Klimaschutz im Zentrum Gesellschaftliche Verantwortung der EKHN, meint: „Das Elektroauto ist gut für den Klimawandel, jedoch nicht für eine gerechtere Welt.“

Kompromiss Hybrid

Spätestens an diesem Punkt ist klar: Es ist gegenwärtig unmöglich, umweltfreundlich und sozial verträglich Auto zu fahren. Sehr wohl kann man aber umweltfreundlicher und sozialer fahren. Müller-Görnert schlägt vor: „Eine Möglichkeit ist ein sinnvoll motorisierter Plug-In-Hybrid.“ Ein Plug-In-Hybrid hat einen Elektromotor mit etwa 40 Kilometern Reichweite und einen Benzin Motor. Die Batterie sei kleiner, sodass deutlich weniger Lithium und Kobalt verbaut werde. Pendelstrecken können trotzdem elektrisch zurückgelegt werden. Für längere Strecken werde dann der Benziner benutzt. „Ein guter Kompromiss“, sind sich Michael Müller-Görnert und Kathrin Saudhof einig. Natürlich gebe es auch die schwarzen Schafe unter den Hybriden. „Die neueste Unart sind die Rennlimousinen mit Hybridantrieb. Der Hybrid sorgt in diesen Fällen dafür, dass die Beschleunigung besser wird und die Systemleistung auf z.B. 500 PS und mehr steigt. Von Umweltschutz kann man bei diesen Hybriden nicht reden – sogar eher im Gegenteil. Durch das größere Gewicht eines Hybriden und den übergroßen Benzinmotor sind die Verbräuche auf Langstrecken, auf denen der Elektromotor kaum genutzt werden kann, oft sogar höher als mit vergleichbaren konventionellen Autos“, erklärt Müller-Görnert.

Welches Auto soll es sein?

„Letztendlich sind die Anforderungen und Benutzung eines Autos so individuell, dass man keine allgemeinen Empfehlungen geben kann, welches Auto man kaufen sollte und welches nicht“, erklärt Müller-Görnert. Grob könne man sagen, dass Elektroautos vor allem für Pendler und Kurzstrecken aufgrund der Effizienz geeignet sind, für Langstreckenfahrer sei der Verbrenner immer noch am besten geeignet – dafür sei auch der Erdgas-Antrieb zu empfehlen. Der Hybrid sollte so eingesetzt werden, dass die elektrische Reichweite möglichst gut genutzt werden kann. Kathrin Saudhof fasst die Situation so zusammen: „Es gibt bei dieser Frage kein Schwarz und Weiß. Man muss für sich entscheiden, worauf man besonders achten will. Wer sich sozial und sauber fortbewegen will, nutzt möglichst oft öffentliche Verkehrsmittel, das Fahrrad oder die eigenen Füße.“

Von Konrad Waßmann

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