Mediensucht

Wenn Menschen süchtig nach Medien werden

bonDie Suchtberaterin Lisa Herkersdorf sagt, dass das Ziel der Behandlung medienabhängiger Menschen nicht die Abstinenz, sondern der verantwortungsvolle Umgang mit Medien ist.

Es ist eine relativ junge Art der Abhängigkeit. Trotzdem, so schätzen Experten, sind immerhin rund zwei Prozent aller Deutschen mediensüchtig. Medien gehören eben zum Alltag, und die Grenzen zum problematischen Konsum sind fließend.

Im Rahmen der Reihe „Westerburger Dialog“ sprechen Fachleute über Medienabhängigkeit, deren Diagnostik und Therapieformen der Medienabhängigkeit. Erst vor einem halben Jahr hat die Weltgesundheitsorganisation WHO beschlossen, diese Art der Sucht ins internationale Klassifikationssystem für Erkrankungen aufzunehmen. Das bedeutet, dass Ärzte sie diagnostizieren können und die Kosten für Behandlungen übernommen werden.

Selbsttest: Bin ich abhängig?

Allerdings dauert es noch bis zum Jahr 2022, bis die neue Klassifikation in Kraft tritt. Die Sucht- und Drogenberatung des Diakonischen Werks setzt früher an. Sie stellt zunächst fest, ob ein Mensch Medien nur intensiv nutzt oder ob er schon abhängig von ihnen ist: „Es gibt eine Reihe von Fragen, die helfen, das eigene Verhalten einzuordnen“, erklärt Sozialarbeiterin Lisa Herkersdorf von der Fachstelle für Glücksspielsucht und Medienabhängigkeit des Diakonischen Werks Westerwald. Diese lauten:

  • Habe ich Entzugssymptome?
  • Ziehe ich mich sozial zurück?
  • Täusche ich Freunde und Familie in Bezug auf meinen Medienkonsum?
  • Schaue ich mir immer häufiger immer intensivere Inhalte an?
  • Beschäftige ich mich ausschließlich mit Medien?
  • Verliere ich die Kontrolle über den Konsum?

Sobald fünf dieser Fragen zutreffen, spreche man in der Regel von einer Abhängigkeit.

Männer zocken, Frauen chatten

Nach welchen Medien Menschen süchtig werden, ist ganz unterschiedlich und manchmal auch eine Frage des Geschlechts: Jungen und Männer spielen häufiger, während sich Mädchen und Frauen vor allem in Chats aufhalten. „Weit verbreitet sind auch die exzessive Internetrecherche, der Konsum von Pornografie oder das Aufhalten in sozialen Netzwerken“, sagt Lisa Herkersdorf. Bei den Betroffenen entsteht eine psychische Abhängigkeit zu diesen Medien. Manchmal kann deren Konsum zudem ausgesprochen teuer werden, weiß die Diakonie-Mitarbeiterin: „Besonders kritisch sind Onlinespiele. Sie sind zunächst oft kostenlos, locken später aber mit kostenpflichtigen Erweiterungen und Verbesserungen. Dadurch wurden manche unserer Klienten schon fast in den Ruin getrieben.“

Verantwortungsvolle Mediennutzung statt Abstinenz

Eine umfassende Behandlung der Mediensucht bietet das Diakonische Werk nicht. Aber es motiviert Betroffene, sich behandeln zu lassen und vermittelt entsprechende Therapien. Diese haben – im Gegensatz zu anderen Abhängigkeiten – nicht das abstinente Leben, sondern den kontrollierten Umgang mit Medien zum Ziel. „Der PC ist nun einmal Teil unseres Alltags. Die Klienten sollen daher in der Lage sein, neutrale von kritischen Inhalten zu unterscheiden und bestimmte Trigger zu vermeiden, wenn sie den Rechner nutzen“, erklärt Lisa Herkersdorf.

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