Musikalischer Brückenschlag von Juden, Christen und Muslimen

Drei Religionen und eine gewaltige Klangwolke

EKHN/RahnInterreligiöse MusikDie vielen Stimmen Davids: Juden, Christen und Muslime musizieren gemeinsam

Es ist ein europaweit einzigartiges Projekt: Juden, Christen und Muslime musizieren gemeinsam und bringen dabei ihre jeweiligen religiösen Traditionen mit. In Stuttgart entstand bei der Aufführung von „Die vielen Stimmen Davids“ am Donnerstagabend ein eindrückliches musikalisches Glaubensbekenntnis aus einer einzigen gewaltigen Klangwolke.

Man nehme: Eine Rezitation von arabischen Versen aus dem Koran, fröhliche jüdische Klezmerklänge, eine ordentliche Portion gut protestantischen Bach und eine frische Prise Rap. Anschließend vermische man alles sehr, sehr vorsichtig und mit großem Augenmerk. Dann lasse man es gut vorführen von Profimusikern, Freizeitchören und Jugendlichen, und gebe zum Abschluss noch eine Großleinwand mit einem Zeichentrickfilm als Untermalung hinzu. Gelingt garantiert nicht?

Standing Ovations für ein einzigartiges Konzert

Und ob! Bei einem europaweit einmaligen Projekt, das auf den Namen „Trimum“ hört, gab es am Ende minutenlage Standing Ovations für die Künstlerinnen und Künstler in der Stuttgarter Liederhalle. Am Donnerstagabend führten sie dort das Stück „Die vielen Stimmen Davids - Ein trialogisches Konzert“ auf. Eine Uraufführung. 

Einzigartigkeit der jeweils anderen Religion achten

2011 gegründet, versuchen die Ideengeber von „Trimum“ aus Stuttgart einen musikalischen Brückenschlag zwischen Judentum, Christentum und Islam. Wenn es den Religionen schon so schwerfällt, miteinander zu sprechen oder gar gemeinsam zu beten, so müssten sie doch wenigstens musikalisch irgendwie zusammenfinden – das war die Überlegung, die in der Bach-Akademie in Stuttgart ihren Ausgang fand. Heute wird sie von interreligiösen Organisationen ebenso wie vom SWR unterstützt. Es geht dabei nicht um ein munteres spirituelles Potpourri oder einen religiösen musikalischen Eintopf. Ziel ist es, die Einzigartigkeit der jeweils anderen Religion zu achten, Vielstimmigkeiten ebenso wie Gemeinsamkeiten aufscheinen zu lassen und manchmal auch die Fremdheit des anderen zum Ausdruck zu bringen.

Unterschiedliche Perspektiven auf "David"

Eindrucksvoll war das bei der David-Aufführung auf dem Kirchentag in fast jedem Moment zu spüren. Die Figur Davids wurde bewusst in den Mittelpunkt gestellt, weil sie in allen drei Religionen eine Rolle spielt. Doch damit sind auch schon die ersten Probleme programmiert. Während David in der jüdisch-christlichen Tradition für einen heldenhaften Feldherren und gerissenen Machtpolitiker mit Schattenseiten steht, ist er im Islam eher ein kluger Richter und tüchtiger Waffenschmied. Das alles versuchten die verschiedenen Mitwirkenden - angefangen vom  Projektchor des Türkischen Kulturvereins Esslingen über den Berliner jüdischen Kantor Assaf Levitin bis zum Ensemble der Pädagogischen Hochschule Ludwigsburg und vielen weiteren mehr - unter der musikalischen Leitung von Bernhard König in ein großes Ganzes zu gießen.

Unvergessliche Gänsehautmomente

Und so standen im Raum dann plötzlich Händel und Bach neben sephardischen Volksklängen aus Izmir, rhythmische Klänge von Klezmermusik wechselten sich mit eindrücklicher Koranrezitation ab. Ein Gänsehautmoment, als das christliche „Ehre sei Gott“, das jüdische „Höre Israel‘“ und das muslimische „Allah ist einzig“ in einer gewaltigen Klangwolke mit verteilten Chören im Raum durch den Saal schwebte. Und besonders anrührend:  Jugendliche unterschiedlicher Glaubensrichtungen im Ensemble hatten sich nach dem Attentat auf die französische Satirezeitschrift Charile Hebdo zusammengerauft, um ihren Rap-Song mit einem eigenen Zeichentrickfilm zu untermalen, der für die besondere Kraft des Schwächeren warb. So war es nur Folgerichtig, dass Soeren Wendt in der Rolle des Davids einen „vergessenen Psalm“ zitierte, nach dem Gott ebenso mit  E-Gitarre und Fugen gelobt werden könne. Zudem sollen sich Menschen mit Tönen und Melodien „Gastgeschenke“ machen, um die Fremdheit und Nähe der anderen und Gottes zu erkennen.

Mit Herzblut und Liebe zur Musik für Frieden

Das alles war in der Liederhalle eine eindrucksvolle Schau dessen, was möglich ist, wenn Menschen sich mit jeder Menge Herzblut, Liebe zur Musik, dem Blick für die Besonderheiten der Religionen und der Vision für ein friedliches Leben in der Welt zusammentun. Die Aufführung war auch ein musikalisches Glaubensbekenntnis für die Kraft der Klänge, die besonders  zum Tragen kommt, wenn Theologen ratlos, Religionen friedlos und Menschen sprachlos sind. 

Am Ende standen drei Religionen und ein einziges gewaltiges Klangerlebnis. Das Rezept, das zusammenzutun, was augenscheinlich kaum zusammenpasst, kann also gelingen – so Gott will und die Menschen ihren Sinn für die die Musik behalten.  

Informationen im Internet:

Trimum - die Vielfalt feiern 

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