Hessenweite Projekttage für Jugendliche

Konfirmanden lernen Armut in Brasilien kennen

Florian Kopp/Brot für die WeltEin Junge aus dem Hilfsprojekt SERUA in Brasilien freut sich über einen Fußall

32 Länder kämpfen bald in Brasilien um den Titel „Fußball-Weltmeister“. Aber in dem Schwellenland kämpfen viele Menschen um scheinbar banale Dinge wie faire Löhne, Sicherheit oder Respekt. Das erfahren Jugendliche in Workshops während der WM am eigenen Leib.

Charlotte MattesWie viel Platz brauche ich wirklich? Auf diesen kleinen Streifen Papier passen fünf Teenager

„Gehen wir noch zum Müll?“, fragt die 14-jährige Lili zwei andere Konfirmandinnen vor dem Gemeindehaus in Bergen-Enkheim. Zu dritt stürzen sie sich auf die große Altpapier-Tonne und klauben möglichst saubere Papierfetzen heraus. „Arme Kinder in Brasilien können sich keine Bälle leisten, “ erklärt Lili. „Darum machen sie sich selber welche aus Resten, aus Papier, Steinen und Plastik. Das machen wir jetzt auch.“ Den Stein hat sie schon. Das ist wichtig, denn er dient als Schwerpunkt. Oben im Arbeitsraum umwickeln Lili und die anderen Mädchen den Stein anschließend mit Zeitungspapier, bis das Ganze die Größe eines Fußballs hat. Lili setzt ihr gesamtes Körpergewicht ein, um den Ball fest zusammenzudrücken: „In Brasilien gibt es ja auch keinen Kleber.“ Danach wickelt sie den Stein-Papier-Ball in eine Plastiktüte und zurrt das Päckchen mit einer Schnur fest. 

Hessenweite Aktion zur WM für Jugendliche

Stefan Weiß steht neben den Mädchen und gibt Tipps. „Es kommt nicht auf Schönheit an, “ mahnt er. Der Pfarrer und Bildungsreferent der Ökumenischen Werkstatt in Langenselbold leitet gemeinsam mit Sabine Striether vom Zentrum Ökumene der EKHN und Mitarbeitern der Gemeinde den Workshop „WM in Brasilien ganz furchtbar schön?!?“. Hier werden die Umstände der WM kritisch beleuchtet. Initiiert hat ihn die evangelische Hilfsaktion „Brot für die Welt“ aus dem Zentrum Ökumene der EKHN, jedoch wird er von Kooperationspartnern in ganz Hessen durchgeführt. 

Hinter die Fassade der schönen Stadien blicken

„Die Schüler und Konfirmanden sollen lernen, dass die WM in Brasilien eine schöne Fassade hat und ein tolles Ereignis ist, aber dass es dort auch viele Probleme gibt, “ erklärt Weiß. Bekannte Fakten würden so aufbereitet, dass sich Jugendliche dafür interessieren – zum Beispiel, indem sie selber Lumpenbälle basteln. Buchen können den Workshop Konfirmandengruppen und Schulklassen ab der 7. Klasse, je nach Alter und Teilnehmerzahl wird er individuell angepasst. In der Regel stehen den Jugendlichen neun Stationen zur Auswahl, aus denen sie selbst ihre Schwerpunkte wählen dürfen. 

Wer profitiert von der Fußball-WM?

In Bergen-Enkheim ist die Zeit knapp, deshalb werden dieses Mal nur vier Themen behandelt: Favelas, Kleidung, Fußballschulen und WM-Poly, das Spiel um die Millionen. Einige Teenager planen den Bau ihrer eigenen Favela, also einer Armenhütte, wie sie in den brasilianischen Slums üblich ist, andere lernen, dass Fußball für viele brasilianische Jugendliche der einzige Ausweg aus der Armut zu sein scheint. Ungefähr zehn Mädchen diskutieren die Herstellungsbedingungen von Kleidung in Zeiten der Globalisierung, während sich ein gutes Dutzend Teenager an einem Rollenspiel versucht. „Wer profitiert von der WM und wer verliert?“, lautet die Frage und die Kinder schlüpfen in die Rolle von brasilianischen Imbissverkäufern, Bauarbeitern oder FIFA-Vertretern. Schnell wird klar, dass nur einer wirklich Gewinn macht: Die FIFA. 

Armut in Brasilien berührt deutsche Teenager

Das Schicksal der Menschen in Brasilien, von denen allein 229 600 für den Stadionbau zwangsumgesiedelt wurden, geht den Kindern nahe: „Fußball fände nicht statt, wenn es kein Publikum gäbe, “ sagt Lili. „Deshalb finde ich es nicht richtig, dass die Menschen für den Stadionbau aus ihren Häusern vertrieben wurden.“ Und ihre Freundin Hannah ergänzt: „Es ist nicht gut, dass die WM auf Kosten der Menschen geht und dass die Verantwortlichen keine Rücksicht nehmen.“

Auch mit einem Lumpenball macht das Spielen Spaß

„Es ist komisch, weil es so ein anderes Ballgefühl ist, “ sagt Emma, als sie mit ihrem Lumpenball bei strahlendem Sonnenschein auf der Wiese vor dem Gemeindehaus Fußball spielt. „Aber es macht auch Spaß, weil man weiß, dass man es selber gemacht hat – und an die Kinder in Brasilien denkt, die immer mit solchen Bällen spielen.“

Mit Fußball von der Straße

Beim anstehenden Altstadtfest in Bergen-Enkheim wollen sie Jugendliche in Brasilien unterstützen und für das Hilfsprojekt „SERUA“ von Brot für die Welt sammeln. Dieses holt Jugendliche aus den Armenvierteln von Rio de Janeiro mit Sportangeboten wie Fußball oder Akrobatik von der Straße.

Diese Seite:Download PDFDrucken

to top