Schicksale

Leben in Armut

Uschi Dreiucker/pixelio.deArmut kann jeden treffenArmut kann jeden treffen

Simone hat zwar eine Wohnung, aber keine Arbeit. Lothar hingegen war obdachlos und hat es zurück in ein normales Leben geschafft.

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Audioslide-Show: Menschliche Kälte gegen Obdachlose in Frankfurt

Aus der Obdachlosigkeit herauskommen: Lothar M. 

Menschen, die in der Wohnungslosenhilfe landen, sind meist bereits durch viele andere Hilfesysteme gefallen. Aber: „Wir geben keinen Menschen verloren!“ Dies betont Stefan Gillich und erklärt, was eine erfolgreiche Arbeit ausmacht: „Der Mensch in seiner Notlage bestimmt selbst, in welchem Bereich seines Lebens wir helfen sollen und wie weit diese Hilfe geht.“ Die Aufgabe der Mitarbeitenden sei es dann, im richtigen Moment ansprechbar zu sein.

Seine These veranschaulicht er an der Lebensgeschichte von Lothar M.: „Über Jahre hinweg hielt Lothar M. Kontakt. Er besuchte die Tagesstätte und nutzte das Beratungsangebot, um z.B. existenzsichernde Hilfen wie die Sozialhilfe zu erhalten. Weitergehende Unterstützungsangebote lehnte er ab. Zehn Jahre lang lebte er schließlich auf der Straße und konsumierte dabei unglaublich viel Alkohol. Er war ein stadtbekanntes Gesicht. Doch eines Tages kam er zu mir in die Beratung und sagte, wenn er jetzt nichts tue, werde er diesen Winter nicht überleben. Dafür brauche er Unterstützung. Was dann geschah, grenzt an ein Wunder: Er ließ seinen Körper entgiften, fand einen Job und eine Wohnung. Durch einen Lottogewinn konnte er sich sogar das Auto leisten, mit dem er nun zu seinem Arbeitsplatz fährt.“

Arbeitslos: Simone (44), gelernte Schaufenstergestalterin

Am Anfang lief es gut. Nach der Schule habe ich gleich mit meiner Ausbildung angefangen, denn ich hatte ein gutes Realschulzeugnis. Die Probleme fingen an, als meine Eltern sich scheiden ließen, darunter habe ich sehr gelitten. Von einem Tag auf den anderen sah unsere finanzielle Situation sehr schlecht aus. Das alles hat dazu geführt, dass ich psychisch krank wurde. Mit 28 Jahren begann ich schließlich, in einer Rehawerkstatt für psychisch Kranke zu arbeiten. Dort habe ich auch den Mann kennen gelernt, den ich geheiratet habe. Die Ehe hat aber offiziell nur ein Jahr gehalten, durch seine psychische Krankheit war er manchmal verbal recht aggressiv. Im Prinzip verstehen wir uns aber gut, wir haben bis heute noch regelmäßig Kontakt.

Ich bin nun seit 12 Jahren arbeitslos, in den letzten Jahren habe ich allerdings mehrere 1,50 Euro-Jobs angenommen. Ich habe auf einem Pferdegestüt gearbeitet und mich in einem Altersheim um Demenzkranke gekümmert. In der Zeit, in der ich dort war, ist die Hälfte der Belegschaft gestorben. Dann starb auch noch mein Vater, da konnte ich einfach nicht mehr. Deshalb habe ich diesen Job gekündigt. Obdachlos bin ich nicht, ich lebe in einer kleinen Wohnung. Neben der finanziellen Situation macht mir vor allem die Einsamkeit zu schaffen. Die Gesellschaft gibt mir das Gefühl, das 5. Rad am Wagen zu sein. Die Isolation kann dazu führen, dass man auf andere trifft, die gemeinsam trinken. Das wollte ich nicht. Ich habe deshalb oft die Einsamkeit gewählt. Um soziale Kontakte zu pflegen, spreche ich oft mit den Sozialarbeitern der Weißfrauen-Diakoniekirche. 

Ich kämpfe oft darum, jemand zu sein. Wenn man Arbeit hat, ist man jemand. Aber ohne Arbeit muss man einen anderen Sinn für sein Leben finden. Wenn ich etwas zu sagen hätte, würde ich die Regierung bitten, den HartzIV-Satz für Singles um 40 Euro zu erhöhen. Den Menschen da draußen möchte ich auch etwas ans Herz legen: Schaut hinter das von Armut gezeichnete Äußere. Dahinter steckt ein Mensch, der gelebt hat. Ein Mensch, der Tag für Tag unglaubliche Härten und das Gefühl, nicht geliebt zu werden, aushalten muss.

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